Geistiges Eigentum innerhalb des 3D-Drucks – ein Interview mit dem Verband 3DDruck e.V.
Nachdruck eines Beitrages auf 3DNATIVES.COM POSTED ON 25. SEPTEMBER 2018
Die verschiedenen 3D-Technologien, sowie die möglichen Anwendungen wachsen stetig und es stellen sich immer öfter Fragen wie geistiges Eigentum innerhalb des 3D-Drucks berücksichtigt wird. Wie schützt man beteiligte Designer oder möglicherweise Endverbraucher vor Verletzungen des Urheberrechts? Wie kann das Urheberrecht allgemein geschützt werden?
Bereits innerhalb eines Experteninterviews haben wir einige Möglichkeiten und Gefahren erörtert. Ein wichtiger Punkt sind natürlich auch die gesetzlichen Regelungen, die für die neue und sich immer weiterentwickelnde Technologie noch nicht ganz ausreichend sind.
Hier setzt der Verband 3DDruck e.V. an. Seit 2016 existiert der Verband und setzt sich im allgemeinen für Entwicklung der additiven Fertigung einsetzt. Christian Meiser hat uns den Verein und seine Ziele bereits im vergangenen Jahr vorgestellt. Nun haben wir uns mit Dr. Markus Wiedemann hinsichtlich des geistigen Eigentums unterhalten.
3DN: Hallo Herr Wiedemann. Möchten Sie sich und den Verband 3DDruck einmal vorstellen?
geistiges Eigentum innerhalb des 3D-Drucks
Markus Wiedemann
Der Verband 3DDruck e.V. ist ein branchenübergreifender Verband, der sich zum Ziel gesetzt hat, die unterschiedlichen Interessen auf dem Gebiet der 3D-Drucktechnologie gegenüber der Politik, der Gesellschaft und den Medien zu vertreten. Wir geben Unternehmen eine Stimme, die sich im Bereich der Forschung, Entwicklung und Anwendung dieser Technologie engagieren.
Ich bin Finanzvorstand des Verbandes und hauptberuflich als Rechtsanwalt im Bereich IT-Recht und Geistiges Eigentum (IP) in der Wirtschaftskanzlei ZIRNGBIBL tätig.
3DN: Wo sehen Sie die größten Risiken bei Verletzungen des geistigen Eigentums innerhalb des 3D-Drucks und inwieweit sind unsere jetzigen Gesetze dem gewachsen?
Die Technologien rund um die additive Fertigung ermöglichen es, dreidimensionale Objekte einzuscannen, sie als Digitalvorlage zu verbreiten und dezentral an verschiedenen Orten zu drucken. Ähnlich wie in der Film- oder Musikbranche die Digitalisierung zur massenhaften Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken geführt hat, besteht das Risiko, dass klassische Waren vermehrt unter Verletzung von Marken-, Patent-, Design- oder Urheberrechten dezentral produziert und verbreitet werden. Bisher konnten Produktimitate häufig vom Zoll an den Grenzen abgefangen werden. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung anders: Die digitalen Vorlagen können weltweit über das Internet und praktisch „grenzenlos“ verbreitet werden.
Die bestehenden Gesetze in Deutschland geben insoweit ausreichend Schutz, als es um die gewerbliche Produktion und den Verkauf von Imitaten rechtlicher geschützter Waren geht.
Praktisch kein Schutz vor Kopien besteht im Privatbereich. Das ist jedoch aus Sicht unseres Verbandes zumindest derzeit noch kein großes Problem: Komplexe Bauteile lassen sich nicht einfach einscannen und ausdrucken. Sowohl beim Scan, bei der Vorbereitung des Drucks und des Druckvorgangs ist erhebliches Know-How erforderlich. Das fängt an bei der Frage, welches Material verwendet wird, mit welcher Temperatur gearbeitet wird, welche Stützmaterialien eingesetzt werden, usw. Dass Privatleute quasi am Küchentisch ein brauchbares Ersatzteil für das Familienauto „drucken“, ist also noch Zukunftsmusik.
Schutzlücken sehe ich vor allem darin, dass digitale Kopien rechtlich geschützter Produkte im Internet massenhaft verbreitet werden. Es ist noch nicht rechtlich geklärt, ob bereits der Scan eines solchen Produkts z.B. ein Patent- oder Designrecht verletzt. Eine Auffassung sieht hierin noch keine (mittelbare) Rechtsverletzung, da die Digitalvorlage zum Ausdruck allein nicht ausreicht, um etwa als „wesentliches Element“ einer Erfindung angesehen zu werden. Erst wenn die druckfertige Datei, die dem Drucker den Ausdruck ermöglicht (sog. „Job File“), erstellt ist, kann nach dieser Auffassung nach eine Rechtsverletzung vorliegen.
Rechtspolitisch könnte es sinnvoll sein, derartige Schutzlücken zu schließen und bereits die Erstellung des Scans als Rechtsverletzung anzusehen. Aus Sicht eines Originalherstellers führt schon die massenhafte Verbreitung der „digitalen Kopie“ seiner rechtlich geschützten Gegenstände zu erheblichen Gefahren für sein geistiges Eigentum.
Es wird auch die Frage aufkommen, wie man mit „Kopiershops“ im Internet, Auftragsfertigern (sog. „FabLabs“) oder digitalen Plattformen zum Tausch von Scanvorlagen umgeht. Sollten sie bereits unmittelbar haften, wenn eine Scanvorlage im Internet widerrechtlich eingestellt wurde oder erst, wenn der Rechteinhaber eine Verletzung anzeigt? Wir kennen diese Diskussion im Zusammenhang mit der gerade erst verabschiedeten EU-Urheberrechtsreform, die Plattformbetreiber wie Youtube tatsächlich zu „Upload-Filtern“ verpflichten wird.
3DN: Vor kurzen wurde der Beschluss des europäischen Parlaments „dreidimensionales Drucken, eine Herausforderung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums und der zivilrechtlichen Haftung“ veröffentlicht. Was halten Sie von diesen Entscheidungen? Werden Innovationen eingeschränkt?
Das EU-Parlament hat Ende Juni 2018 beinahe einstimmig einen „Entschluss über den dreidimensionalen Druck“ gefasst und die Kommission aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen. Wir als Verband freuen uns, dass die EU-Parlamentarier die Chancen der additiven Fertigung erkannt haben und im Wirtschaftsraum der EU hierzu einen einheitlichen rechtlichen Rahmen anstreben. Auch hier wird übrigens die Frage des Schutzes der Digitalvorlage diskutiert.
Eine Gefahr, dass Innovationen eingeschränkt werden, sehen wir als Verband eher darin, dass jeder Mitgliedstaat seine eigenen Regeln für die additive Fertigung aufstellt. Gerade bei Fragen der Produkthaftung, bei der EU-weiten finanziellen Förderung von Forschung und Start-Ups wie auch bei dem Verbraucherschutz sind EU-einheitliche Regelungen zu wünschen. Innovationen werden dann nicht eingeschränkt, wenn es gelingt, wenige gute Regelungen zu etablieren, die Rechtssicherheit innerhalb der EU für alle Beteiligten schaffen.
3DN: Inwiefern wird das Thema des geistigen Eigentums auch auf dem kommenden 3DKonzeptLab am 5. Oktober 2018 behandelt werden?
In der von mir geleiteten Gruppe „Recht“ sind alle Interessierten herzlich dazu eingeladen, über rechtliche Positionen und Forderungen an den Gesetzgeber zu diskutieren.
Das Thema „Schutz des geistigen Eigentums“ wird dabei eine zentrale Rolle spielen: Sollte der Gesetzgeber etwa bereits ausdrücklich den Scan eines Objekts schützen? Benötigen wir gesonderte Haftungsregelungen für FabLabs oder Internetplattformen für Scanvorlagen? Genügen die derzeitigen Regelungen zur Produkthaftung?
Selbstverständlich kann jeder Teilnehmer an unserer Veranstaltungen eigene Ideen entwickeln und sich in die Diskussion einbringen. Das diesjährigen 3DKonzeptLab findet mit Innovation Pitch 3D, Ausstellung und Arbeitsgruppen im motionLab.Berlin statt
3DN: In letzter Zeit gab es einige Nachrichten zu der Legalisierung von 3D-gedruckten Waffen in den USA. Wie sehen Sie diese Debatte?
In Deutschland sind sowohl die Herstellung wie auch der Handel oder der Besitz von Waffen ohne explizite Erlaubnis strafbar. Das gilt selbstverständlich auch für „selbstgebaute“ Waffen aus dem 3D-Drucker und unabhängig davon, aus welchem Material sie gefertigt werden.
Die Debatte in den USA wird vor dem Hintergrund deutlich liberalerer Waffengesetze und dem Second Amendment der US-Verfassung, dass das „Recht zum Tragen von Schusswaffen“ erlaubt, anders geführt. Immerhin hat auch dort ein US-Bundesgericht in Seattle am 31. Juli 2018 die Veröffentlichung von Bauplänen für 3D-gedruckte Schusswaffen im Internet gestoppt. Die Richter haben erkannt, dass dies zu „irreparablen Schäden“ führen könnte.
Eine Debatte in diesem Sinne existiert in Deutschland insoweit eigentlich nicht. Hier herrscht doch ein breiter Konsens, dass die Herstellung und der Besitz entsprechender Waffen grundsätzlich verboten sind. Die 3D-Drucktechnologie ist auch noch lange nicht soweit, dass sich weite Teile der Bevölkerung ohne Weiteres eine Waffe „drucken“ könnten, ohne sich selbst erheblichen Verletzungsgefahren auszusetzen. Für Kriminelle ist es daher unkomplizierter, sich illegal Schusswaffen über das Darknet oder auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen, als sie selbst zu drucken.
3DN: Haben Sie noch abschließende Worte an unsere Leser?
Es freut uns, wenn sich Ihre Leser für die additive Fertigung und ihre rechtlichen Rahmenbedingungen interessieren. Die Technologie wird in Deutschland und der EU viele Chancen für eine nachhaltige und innovative Produktion eröffnen. Wir als Verband sind bestrebt, den Unternehmen dabei zu helfen, diese Chancen zu nutzen. Wir laden die Leser daher herzlich dazu ein, sich am 4./5. Oktober 2018 auf dem 3DKonzeptLab einzubringen und gemeinsam Positionen zu entwickeln!
Weitere Informationen zum Verband 3DDruck e.V. und der diesjährigen 3DKonzeptLab finden Sie auf der offiziellen Website. Wenn Sie sich den Beschluss des europäischen Parlaments genauer ansehen möchten, lesen Sie sich den offiziellen Bericht durch.
Wie sehen Sie die Problematik, geistiges Eigentum innerhalb des 3D-Drucks zu schützen? Teilen Sie uns Ihre Meinung mit und hinterlassen Sie uns ein Kommentar unten oder auf Facebook, Twitter oder Google+. Und denken Sie daran sich für unseren wöchentlichen Newsletter kostenlos anzumelden, um keine Neuigkeiten im 3D-Druck mehr zu verpassen!